Cannon meint:

Es ist Christi Himmelfahrt; nach herrlichen ersten Frühsommertagen Regenwetter. Draußen ist es nicht angenehm, ich liege in meinem Sessel, Frauchen und Herrchen denken, ich schlafe.
Dabei lasse ich noch einmal alle die Dinge durch meine Träume ziehen, die in den letzten Tagen und Wochen in der Dalmatinerwelt so vorgekommen sind.
Das überragende Ereignis wie jedes Jahr im Mai: die Clubsiegerschau in Bensheim mit der Jahreshauptversammlung unserer Dalmatinermenschen. Schade, dass ich in diesem Jahr nicht dabei sein konnte, aber ich kenne ja den Rummel, und Aischa hat mir alles ganz genau zugebellt.
Und außerdem unterhalten sich Frauchen und Herrchen öfter darüber, so dass ich auch dadurch noch einiges mitbekommen habe.

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Da wollten doch tatsächlich einige Leute die Größenbegrenzung im Standard abschaffen. Ist doch schon schlimm, dass die Menschen immer größer werden, soll das mit uns Dalmatinern denn nun auch losgehen? Ich sehe schon, dass ich mit meinen 57 Zentimetern mir in einigen Jahren wie ein Zwerg vorkomme, ja dass es dann Junghunde so groß wie Doggen gibt, unter denen ich dann durchlaufen kann, so wie ich das heute bei meiner Freundin Vanessa, einer gestromten Dogge, tue. Brrrr, bei dem Gedanken graust mir. Schon die heutigen Rassegenossen in den Beneluxländern kommen mir vor wie Riesen. Wenn man die beschnuppern will, bekommt man Genickstarre.

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Am nächsten Tag dann bei heißem Sommerwetter das große Spektakel: die Clubsiegerzuchtschau mit 150 Rassegenossen. Eines fanden alle, Dalmis wie Zweibeiner, bewundernswert: Die Organisation war nahezu perfekt; alles klappte sowohl zeitlich als auch sonst wie am Schnürrchen.
Die fünfzig Hündinnen der Offenen Klasse hatten allerdings eine Tortur zu überstehen: Bis zu drei Stunden mußten sie und ihre Zweibeiner in der glühenden Sonne stehen. Da der Richter, Herr Römpert, bei seiner Beurteilung nicht der Nummernreihenfolge nach ging, konnte aber auch niemand den Ring verlassen. Manches Dalmimädchen ging schließlich aus dem ring mit hängendem Kopf und eingeklemmter Rute. Warum, frage ich, konnte in diesem Ring nicht genau so verfahren werden, wie bei meinen Geschlechtsgenossen? Frau Schwager richtete der Reihenfolge nach einen Rüden nach dem anderen. Inzwischen konnten die Freunde sich im Schatten hinlegen, die Zweibeiner durften sich ebenfalls stärken.
Am Schluss dann aber doch die strahlenden Sieger mit ihren Lorbeerkränzen um den Hals. Frauchen war davon so angetan, dass sie mir gesagt hat, ich solle dies hier unbedingt erwähnen. So ein Kränzchen aus Lorbeer mit Goldbändchen hätte ich auch wohl gern einmal, aber dafür bin ich nicht schön genug, nur ein lieber braver Hund, Frauchens Liebling.

Trotzdem, liebe Dalmatinerleute, nichts für ungut.

Bis zum nächsten Mal
Euer CANNON

gedruckt in der Dalmatinerpost 3/1982

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